Die DAKIS-Vision

Die Digitalisierung in der Landwirtschaft schreitet rasant voran, was sich in Begriffen wie Smart Farming, Digital Farming oder Landwirtschaft 4.0 widerspiegelt. Sie alle stehen für eine zukünftige Form der Land­bewirt­schaftung, bei der modernste Informations- und Kommunikations­technologien zur Anwendung kommen, und die damit weit über die in der Praxis bisher angewandten Konzepte des Präzisions­ackerbaus „Precision Farming“ hinausgehen wird. Wie umfassend die Veränder­ungen durch die Digitali­sierung in der Landwirtschaft sein werden und welche Auswirkungen diese auf unsere Agrarökosysteme haben werden, ist derzeit noch nicht absehbar.

Im Projekt DAKIS wurde eine Vision für die Zukunft entwickelt, die darauf abzielt die Potentiale der Digitalisierung für eine verbesserte Bereitstellung von Ökosystemleistungen (ÖSL) zu nutzen.

Es ist das Jahr 2050. Landwirt und Landwirtin Meyer inspizieren ihre Felder. Über ihnen fliegt eine Drohne und misst die Biomasse auf ihren Äckern. Die Daten verraten ihnen, wann der beste Zeitpunkt für die Ernte gekommen ist. Feldroboter jäten das Unkraut zwischen den Rüben, die in einer Senke wachsen. Andere autonome Maschinen düngen den Weizen auf dem kleinen Hang nebenan. Zuvor haben sie mit empfindlichen Sensoren genau bestimmt, an welchem Nährstoff es den Pflanzen fehlt. Die Landwirtin ist zufrieden. Alle Pflanzen sehen gesund und kräftig aus. Im Spätsommer werden sie eine gute Ernte einfahren. Auf einem einzigen Feld finden bei Meyers nun bis zu fünf Nutzpflanzen Platz. Durch ihre Felder wird das Grundwasser nicht belastet, im Gegenteil, sie produzieren sauberes Wasser und spenden frische Luft für Spaziergänger die vorbei gehen. Sie haben auch an den Naturschutz gedacht und eine ökologische Schutzfläche angelegt, entlang dieser sieht man viele Insekten und Feldvögel. Aus Sicht der Drohne wirkt der Acker wie ein bunter Flickenteppich. Doch hinter diesem scheinbaren Durcheinander verbirgt sich ein ausgeklügeltes System. Jede Pflanze wächst genau dort, wo ihre Bedürfnisse am besten erfüllt werden. An einer Stelle ihres Feldes – dort, wo die Nutzpflanzen in den vergangenen Jahren immer vor sich hin kümmerten, weil der Boden hier sandig und nährstoffarm ist, haben die Meyers einen Blühstreifen mit Wildkräutern angelegt. Zwischen Margariten, Lupinen und Malven summen die Insekten. Den Plan für ihren Pflanzenanbau haben die Landwirte in diesem Jahr mit Hilfe eines digitalen Systems erstellt.

Die in Zusammenarbeit von Industrie und Forschung entwickelten autonomen Roboter der Plattform „BoniRob“ können bereits Unkräuter selektiv entfernen und mit Drohnen kommunizieren.

Zurück ins Jahr 2021. Die Landwirtschaft steht heute in einem Spannungsfeld teils widersprüchlicher Zielstellungen. Neben dem steigenden Bedarf an Lebensmitteln und biobasierten Rohstoffen wird von der Landwirtschaft

  • die effiziente Ressourcennutzung,
  • die Notwendigkeit der Klimaanpassung,
  • die Bereitstellung von Ökosystemleistungen und Biodiversität,
  • die Minimierung von Gesundheitsrisiken,
  • die Beachtung ethischer Leitlinien und
  • die stärkere Verflechtung mit den Wertschöpfungsnetzen

gefordert. Diese sich z.T. widersprechenden Anforderungen könnten mittels Smart Farming austariert werden.

Unsere Vision ist, dass mittels neuartiger Agrarmanagementsysteme ein erweitertes Systemverständnis der komplexen Wechselwirkungen innerhalb des Agrarökosystems ermöglicht wird, woraus räumlich sowie funktional diversifizierte Anbausysteme resultieren, die in der Lage sind, widersprüchliche Ziele der Landnutzung zu harmonisieren. Es könnte sich um automatisierte, kleinskalige Anbausysteme handeln, die landschaftsspezifisch auf die Bedürfnisse der Gesellschaft zugeschnitten sind und dabei die Bereitstellung von ÖSL und den Erhalt der Biodiversität vom Planungsprozess über die Erzeugung bis hin zur Vermarktung integrieren.

Durch das Agrarmanagementsystem (DAKIS) unterliegt die dynamisch-flexible Bereitstellung von Ökosystemleistungen und Biodiversität durch die landwirtschaftliche Erzeugung umfassender Transparenz, da gesamte Wertschöpfungsketten vom Erzeuger bis hin zum Konsumenten im urbanen Raum betrachtet werden können. Die mittels Smart Farming mögliche neue ressourceneffiziente Arbeitsorganisation, durch digitale Plattformen und vernetzte Feldroboter, liefert dem Landwirt Informationen und Entscheidungshilfen und schafft dadurch Grundlagen für neue Kooperationen zwischen Landwirten und Betrieben. Die Vernetzung von Landwirten untereinander verknüpft mit dem Wissen über die standortbezogene, gesellschaftliche Nachfrage nach Ökosystemleistungen bewirkt eine neue Form der Land- bzw. Flächennutzung entlang der natürlichen biogeophysischen Grenzen und Funktionen der Landschaft (Ökosystemansatz).

Gängige Denkmuster in der Landbewirtschaftung werden somit in Frage gestellt. Bewirtschaftungskooperationen zwischen Landnutzern werden komplett neu definiert und die Trennung unterschiedlicher Landnutzungssysteme (z.B. Acker, Grünland, Wald) zum Teil aufgelöst. Hierdurch kommt es zur Veränderung der Agrarlandschaft, u.a. durch „Insel- bzw. Patch-Anbau“. Vergleichbar mit den „Thünenschen Ringen“ entstehen neue konzentrische Nutzungstypgradienten um urbane Räume herum, die ökologische Konnektivitäten über Betriebsgrenzen hinaus aufbauen. Smart Farming treibt somit die gesellschaftliche Transformation zu einer nachhaltigen, ökologischen und ressourceneffizienten Landwirtschaft voran.